Die vier Bremer Stadt-Velo-Funten

Prolog – der reinste Bremer Bahnsinn am Samstag

Der begeisterungsfähige Lastenesel Martin, die überaus lachsüchtige Cargo-Hündin Patricia, die kleine putzfreudige Katze Lotte und der über allem Thronende Schreihahn Toni machten sich auf, das Glück auf zwei Rädern in Bremen zu finden. Los ging’s wie immer mit dem Lastenrad von der TangoBrücke nach Einbeck Mitte und sodann mit drei verschiedenen Zügen nach Bremen. Die reguläre Umsteigezeit in Hannover beträgt übrigens mit 57 Minuten die fast maximale Zeit zwischen zwei jeweils im Stundentakt pendelnden Zugverbindungen. Man fühlt sich da bei den ersten Malen immer wie ein Trapezkünstler, der nach zwei Saltos in der Luft einen halben Zentimeter neben die Hände seines schwingenden Fängers fasst… Aber Han. Hbf bietet als Auffangnetz dann doch immer wieder eine Menge Abwechslung. Die Stunde vergeht stets wie im Fluge.

In Bremen hatten wir eine Verabredung mit Fietje. Genauer gesagt zunächst mit Kàro, einem Long John der Fietje Flotte, gebaut in Bremen in der Werkstatt des Velo Lab. Karo wartete auf uns am Oecotop Naturkostladen in der Friedrich-Karl-Straße. Vom Bahnhof zum Naturkostladen sind es mit der Buslinie 25 kaum mehr als 5 Minuten. Die 200 Meter vom Gleis zum Bus allerdings hatten es in sich. Direkt auf dem Bahnsteig begann für uns völlig unverhofft eine Art Loveparade! Extreme Menschenmassen machten ein Vorankommen fast unmöglich. Wir drängten uns mit jodelnden Bayern in Lederhosen, grün-weiß geschminkten Werderfans, Reisenden Urlaubern und Pendlern mühsam auf die Rolltreppe unseres Bahnsteigs zu und verstanden nicht so recht, was hier eigentlich los ist. Wir ließen uns von der Marschrichtung der Menschenmassen treiben und fanden uns dadurch entgegen unserer Erwartung nicht auf dem Bahnhofsvorplatz wieder, sondern waren durch den rückwertigen Ausgang direkt auf dem Bremer Freimarkt geschwemmt worden. Die Linie 25 wartete allerdings auf der anderen Bahnhofsseite. Mit viel Gepäck zogen wir vier also noch mal durch den Bahnhof – diesmal allerdings eben gegen den Menschenstrom. Bahnfahren ist und bleibt immer ein Erlebnis. Man kann – nein, man muss lernen, es lustig zu finden. Sonst geht das nicht lange gut.

Mit viel Gepäck und Schweiß im Nacken sprangen wir vier erst mal in die Falsche Linie – nach einer Station konnten wir aussteigen und waren … wieder hinter dem Bahnhof gelandet. Naja – den Weg gegen den Strom fürchten wir ja auch im täglichen Leben nicht. Wir zogen so unsere Runden. Mit der 25 erreichten wir dann schließlich doch noch die Friedrich-Karl-Straße im Westen der Stadt. So ein Lastenrad lernt man nach einer solchen Odyssee dann noch einmal mehr zu schätzen. Es war nun schon 20 Uhr geworden. Die Hotelsuche per Handy gestaltete sich dummerweise und zu allem Überfluss viel langwieriger als gewohnt. Wir fanden schließlich eine Unterkunft in der Neustadt.

Bremen bei Nacht auf unbekannten Wegen

Eine knapp 6 Kilometer lange Tour bei Nacht quer durch die Stadt mit zwei anfangs noch etwas ambivalent gestimmten Kindern und viel Gepäck lag vor uns – bzw. vor Lotte, Toni und mir. Patricia schwang sich noch einmal in Bus und Straßenbahn, denn ein zweites Rad wollten wir uns erst am kommenden Morgen beschaffen: das Wettrennen Fahrrad gegen ÖPNV durch die Nacht hatte begonnen.

Auf der echt spritzig zu fahrenden Kàro in der Non-E-Version ging es erstaunlich flott voran und in die Gesichter der ¾-Lastenrad-Familie schlich sich endlich auch das gewohnte breite Grinsen, das man von Lastenradfahrern ebenso kennt. Das Kàro Lastenbike ohne die bei Lastenrädern sonst allseits bekannte elektrische Unterstützung ließ mich als Fahrer mal wieder spüren, dass Radfahren auch ohne eMotor einfach geil ist.

Der erste Eindruck zu Bremens Radwegenetz entstand in diesen späten Abendstunden: Die Fahrradwege, die wir befuhren, schienen überwiegenden aus den 70er Jahren zu stammen. Sie führen regelmäßig im Zickzack zwischen Fußgängerwegen und parkenden Autos hindurch und nicht selten werden Radfahrer und Fußgänger auch direkt aufeinander losgelassen. So ein bisschen ab durch die Mitte ist ja immer ganz witzig. Aber mit Kindern an Board und ein wenig Speed im Rücken freut man sich schon auch über breite und baulich vom Staßenverkehr getrennte Radwege und –straßen. Etwas in dieser Art war auf der ersten Nachtfahrt noch nicht auszumachen.

Sonntag: Es wurde Tag – Hotspot-Cycling und Entdeckungstour entlang der Weserpromenade

Nach einem Frühstück in unserer Pension Marion Weber ging‘s noch einmal im Wettlauf zwischen S-Bahn und Lastenrad ab zum Bahnhof. Dort liehen wir uns für Patricia ein Bahn-Bike. Diese Dinger sind in der Regel bestes in Schuss und recht günstig zu leihen. Die App „Call a Bike“ der Deutschen Bahn funktioniert einfach prächtig im Zusammenspiel mit der Bezahlung und der Fernsteuerung des Fahrradschlosses.

Die bekannten und beliebten Hotspots einer Stadt kann man mit einem mit den Kindern beladenen Lastenrad immer sehr flott ansteuern. Was zu Fuß bei Kindern regelmäßig zu frühkindlichen Traumata führt, ist mit dem Lastenrad immer wieder ein Riesenspaß. Die Bronzestatur der Bremer Stadtmusikanten steuerten unsere Bremer Bikes quasi per Autopilot gleich zu Beginn des Tages an. Ein Fotospot, an dem sich Touristen der Reihe nach gegenseitig ihrer Handys in die Hände drücken. Hier lernt man sich kennen…

In die Böttcherstraße mit ihrer imposanten Backsteinarchitektur, den verwinkelten Höfen und vielen Galerien und Kunstläden zog es unsere Räder gleich im Anschluss. Im Schnorrviertel kam Patricia dann gar nicht mehr aus dem Häuschen – bzw. aus den Häuschen. Fachwerk Hooray hat durchaus Seelenverwandte in diesem Quartier.

Den Kindern werden wohl die automatisch aus- und einfahrenden Poller in quietschend vergnügter Erinnerung bleiben.

Der erste Mittagshunger wurde dann schwimmend auf der Weser ausgetrieben. Das Pannekoekschip unter der Flagge von Admiral Nelson ließ uns an Board. Die Kinder hatten Spaß und mit Pfannkuchen trifft man beim Nachwuchs regelmäßig auch ins Schwarze. Eine Stadt mit Fluss ist immer eine natürliche Attraktion.

Und so radelten wir dann auch zunächst ziellos einfach genussvoll die Weserpromenade gen Norden entlang. Die derzeitig im Wandel befindliche Überseeinsel empfing uns zunächst mit der Gemüsewerft – einem phantastisch großzügig angelegten Urban Garding Projekt. Wo bis 2018 Kellog’s Cornflakes produzierte entsteht derzeitig ein Wohnpark mit Hafen und Industrieflair. Vor einer der alten Werfthallen auf der Überseeinsel blieb unser Kàro dann wieder fast von selbst stehen – wir hatten das Velo Lab entdeckt. Wir drückten uns die Nasen an den Fenstern des Showrooms platt, entdeckten weitere Kàro Long Johns und ziemlich lässige Sondermodelle. Klar, dass das Velo Lab eine der Adressen sein musste, die wir am Montag noch einmal besuchen mussten.

Der restliche Tag spielte sich für uns dann auch weiterhin am Weserufer ab – Radfahren, Verweilen auf den Osterwiesen, Radfahren, das Weserstadion entdecken, Radfahren und dann wieder Chillen im Café Weserstein. Die Sonne verabschiedete sich mit einem herrlichen Untergang und wir radelten gemächlich in die Neustadt. Unser Abendessen erlebten wir im syrischen Restaurant Plamyra. Es war ein Fest der Geschmackssinne.

Montag – Bolle lernt neue Feunde kennen

Pedder – freies Spezialrad Bremen

Für Montag standen nun die Bolle-Termine auf der Agenda. Zunächst meldeten wir uns in der DKV-Residenz am Wandrahm an. Diese Seniorenresidenz ist Ausleihstelle und auch Nutzer für zwei fulminante Spezialräder der Pedder-Flotte. Pedder ist die Schwester von Fietje, wird ebenfalls durch den ADFC Bremen getragen und bietet kostenlos Spezialfahrräder zum Ausleihen an. Die Pedder- Spezialräder machen die Mitnahme von Menschen mit körperlichen Einschränkungen spielend möglich. Wir konnten das Pedder Chat, eine Art moderner Rikscha, und das Pedder VeloPlus probe fahren. Das VeloPlus ist ein Rollstuhltransportrad, bei dem Rollifahrer:Innen einfach gleich mit ihrem eigenen Rollstuhl auf einer rollenden Plattform mitfahren können. Die DKV-Residenz nutzt die Spezialräder auch regelmäßig für Ausfahrten mit den eigenen Bewohnern. Für uns war sehr schnell klar: genau solche Räder brauchen wir auch in der Einbecker Flotte von Bolle. Besten Dank an dieser Stelle noch an Angela Bauriedl, die für uns die beiden Spezialfahrräder aus der Tiefgarage geschoben hat und sich die Zeit nahm, uns die Modelle vorzustellen.

ADFC Bremen – Träger von Fietje und Pedder

Nachdem wir nun Fietje und Pedder erFAHREN konnten, freuten wir uns sehr auf den Termin beim ADFC Bremen, der Trägerinstitution für Fietje und Pedder. Verabredet hatten wir uns mit Frauke Maack. Die Geschäftsstelle des ADFC Bremen befindet sich direkt zwischen dem Bahhofs-Fahrradparkhaus, dem Gleis 1 und der großen Empfangshalle des Bremer Hauptbahnhofes. Bremen ist die Geburtsstadt des ADFC. Hier wurde der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club 1979 gegründet. Ziel war es vor allem, ein fahrradpolitisches Gegengewicht zu den starken Interessenverbänden des Automobils zu schaffen. Der Verein sollte jedoch nur weitergeführt werden, wenn die Mitgliederzahl mindestens 100 betrüge. Dieses Ziel war bereits nach 2 Wochen mit 179 deutlich überschritten. Die Erfolgsgeschichte des Bremer ADFC ist beeindruckend. Der Betrieb einer Radstation mit Fahrradparkhaus und Werkstatt durch den ADFC war von Beginn an eine Besonderheit.

Das Gespräch mit Frauke war kurzweilig und wurde von Lotte und Toni immer wieder durch kleine ADFC-Spiele unterbrochen. Besonders viel Spaß hatten die Beiden natürlich mit den Abstands-Nudeln, die mit ADFC-Bremen-Klebeband gebrandet waren.

Von Frauke wurden wir auf weitere ADFC-Ansprechpartner in Hannover, also unserer Landesvertretung und auch in Berlin aufmerksam gemacht. Wir erhielten noch viele spannende Einblicke in den Betrieb von „Pedder – freie Spezialräder“. Dass es zukünftig mit Spezialrädern auch „Bolle inklusiv“ in Einbeck geben soll, das war uns nach dem Besuch der Bremer ADFC Geschäftsstelle noch einmal mehr klar.

Velo Lab – fulminanter Abschluss unserer erlebnisreichen Bike-Tour durch Bremen

Weiter ging es sodann noch einmal ins Velo Lab. Dort wurden wir vom gesamten Team sehr herzlich begrüßt. Ein Lastenrad aus dem Velo Lab haben wir schon vor einigen Jahren kennengelernt, denn auch auf Einbecks Straßen ist ein Kàro täglich unterwegs. Die Bikes aus dem Velo Lab werden in einer kleinen Werkstatt liebevoll von Bikeenthusiaten entwickelt und gebaut. Bei der Produktion wird z.B. nur Aluminium aus lokaler Produktion verwendet, welches einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck hat als Aluminium aus Asien. Die Lastenräder der Kàro family aus dem Velo Lab sind mit knapp über 20 Kg super leicht und dazu sehr sportlich konzipiert. Selbst mit zwei Kinder, Taschen und Proviant an Bord rauscht man flott durch die Hasestadt oder eben auch Einbeck. Im Velo Lab haben wir uns pudelwohl gefühlt – wir werden uns sehr darum bemühen, dass sich die Bolle Bikes in Einbeck so bald wie möglich auch über ein Kàro in ihrer Mitte freuen können. Was cool ist: unser in den Startlöchern stehendes Event „SUV-Pulling“ löste im Velo Lab Begeisterung aus. Es wird gecheckt, ob zum SUV-Pulling dann auch ein Team des Velo Lab als Zugmanschaft mit am Start sein wird. Wir freuen uns auf alles, was da kommt – aus der Velo-Stadt BREMEN.

Wir hatten tolle Tage in Bremen; unser Dank gilt im Besonderen:

Familienglück auf Rädern in EINBECK

Vorgenommen hatten wir uns eine Fahrradtour von Einbeck aus zur Northeimer Seenplatte. Nur ist das gar nicht so einfach, wenn man mit zwei kleinen Kindern und einem Baby unterwegs sein möchte und die eigenen Fahrräder in der heimischen Garage in Köln stehen bleiben mussten. Doch wer suchtet der findet – in Einbeck – BOLLE 🙂

Auf der Website von Bolle (www.lastenrad-einbeck.de) haben wir tatsächlich ganz unkompliziert gleich drei elektrisch unterstützte Lastenräder mit sicheren Kindersitzplätzen buchen können. Unsere Pläne schienen sich realisieren zu lassen!

Schon am Morgen auf dem Weg zum Ausleihpunkt „TangoBrücke“ freuten wir uns über herrlich-herbstlichen Oktobersonnenschein. Und die goldene Wäre vom Himmel blieb uns dann auch unsere ganze Tour von Einbeck über Salzderhelden entlang des Naturschutzgebietes bis zur Northeimer Seenplatte erhalten. Die Kinder genossen sichtlich die frische Fahrtluft um ihre Nasen in ihren bequemen Lastenrad-Kindersitzen. Sie konnten unterwegs in der Natur dann auch so einige Tiere erspähen. Auf dem Rückweg wurde nochmal Ritter und Burgfräulein in der alten Burgruine von Salzderhelden gespielt, bevor der Ausflug inmitten des fachwerkumsäumten Marktes in Einbeck dann endete. Ein großes Dankeschön an Martin für die Bereitstellung der BOLLE-Lastenräder. Wir wünschen viel Erfolg bei der weiteren Entwicklung des Einbecker Lastenrad-Projektes!

Bolle sagt Danke – Das Unternehmen eBike-family Göttingen stellt Bolle kostenlose das Chike e-kids zur Verfügung.